Reminiszenzen an gute Fernseh-Serien habe ich ja schon etliche gemacht, bisher aber noch nie für eine unter 15 Jahren. „Life on Mars“ allerdings ist für mich persönlich die beste Serie der 2000er Jahre in mehrfacher Hinsicht etwas besonderes:
-
Es ist keine Serie aus den USA, sondern aus Großbritannien.
-
Sie spielt in der nicht allzu weit zurück liegenden Vergangenheit, im Jahr 1973.
-
Es ist zwar überwiegend eine realistische Serie, beinhaltet aber gleichzeitig auch Science-Fiction- und Mystery-Elemente.
-
Die britischen Schauspieler sind wohl fast allen Nicht-Briten unbekannt, allerdings richtig gut.
„Life on Mars“ ist einfach auf eine besondere Art anders, als andere Serien – und das macht die Faszination aus.
Im deutschsprachigen Raum feiert die Serie in 1 Monat zwar erst ihr 9-jähriges Jubiläum, aber dennoch halte ich es für angemessen, die Erstausstrahlung der BBC zu feiern.
Rahmen und Handlung
Der professionelle Polizist Sam Tyler aus Manchester jagt im Jahr 2006 gemeinsam mit seiner Kollegin und Freundin Maya einen Serienmörder. Die Ermittlungen treten auf der Stelle, bis Maya einer Spur nachgeht und dabei – offensichtlich vom Täter – entführt wird. Sam ist verzweifelt. Doch als ob das nicht schon schlimm genug wäre, so wird er von einem Auto angefahren, offensichtlich schwer verletzt und verliert das Bewusstsein.
Als er aufwacht findet er sich plötzlich im Manchester des Jahres 1973 wieder.
Und dort ist praktisch alles anders als 2006:
-
Die Polizei arbeitet 1973 sowohl technisch als auch methodologisch noch viel unprofessioneller. Damit kommt Sam ganz schwer zu Recht und fühlt sich wie auf einem anderen Planeten – daher auch der Titel der Serie.
-
Sam ist nicht DCI (Detective Chief Inspector = Teamleiter), sondern DI (Detective Inspector = stellvertretender Teamleiter).
-
Sein dortiger Boss Gene Hunt ist die Anti-These zu Tyler:
Impulsiv statt besonnen, aggressiv statt zurückhaltend, intuitiv statt analytisch.
Und Vorschriften sind für ihn nicht mehr als unverbindliche Empfehlungen.
-
Auch seine anderen Kollegen schlagen in die selbe Kerbe wie Hunt.
Große Ausnahme ist aber die Politesse Annie Cartwright, die knapp nach Sams Ankunft zur Kriminalpolizei versetzt wird und zu Sams bester Freundin und einziger Vertrauensperson wird.
Doch so problematisch die Zusammenarbeit vor allem mit seinem Chef Hunt ist, so gut funktioniert sie auf der anderen Seite: Die beiden ergänzen sich fachlich perfekt – und sorgen für jede Menge spannende und unterhaltsame Momente.
Es ist auch anfangs völlig unklar, was mit Sam los ist:
Liegt er im Koma bzw. träumt er? Hat er eine Zeitreise gemacht bzw. ist er in einer Art Parallel-Universum? Lebt er vielleicht in den 1970er Jahren und bildet sich sein Leben 2006 nur ein?
Nach 2-3 Episoden kristallisiert sich dann aber relativ klar heraus, dass er im Koma liegt – obwohl das alleine diese komplexe Schein-Welt 1973 nicht wirklich erklären kann.
Jedenfalls hat er 1973 etwas bestimmtes zu tun – wobei bis zum Schluss unklar ist, was.
Was diese Serie so besonders macht und warum ich sie so mag
„Life on Mars“ ist für mich die beste Serie der 2000er-Jahre und gemeinsam mit „24“ auch die innovativste. Während die Frage der Besonderheit von „24“ ganz einfach mit „Echtzeit-Serie“ zu beantworten ist, so ist es bei diesem englischen Meisterwerk vielschichtiger:
Zwar bietet sie keine völlig neuen Element, aber eine ebenso innovative wie qualitativ hochwertige Kombination von bestehenden Elementen, wie es sie in meinen Augen vorher und auch bis jetzt nicht gegeben hat.
-
Spannende, handwerklich gute gemachte und realistische Krimi-Serie.
-
Authentisches, ansprechendes Zeitbild der 1970er Jahre. Vor allem auch tolle, historische Autos – von Sam's Rover 3500 über die Vanden Plas 500 bis hin natürlich zu Gene Hunt's Ford Cortina 2000E.
-
Sozialkritik, die historische Ursachen von Problemen in der Jetzt-Zeit aufzeigt – von Hooliganismus über Integration von Ausländern, psychischen Problemen bis hin zu Arbeitslosigkeit.
-
Eine bis zum Schluss der Serie zum Scheitern scheinende Liebesgeschichte zwischen Sam und Annie.
-
Ein ebenso konfliktreicher wie unterhaltsamer Buddy-Movie zwischen Sam Tyler und Gene Hunt.
-
Dazu noch ein großes Mystery-Element, das die Realität der Serie bis zum Schluss hin offen lässt. Etwas vergleichbares kenne ich nur von „Twin Peaks“.
-
„Britishness“ - es ist großartig, einmal nicht Hollywood-Kost zu genießen, sondern eine ganz andere Art von Produktion „von der Insel“ zu genießen.
Die Schauspieler waren bei uns zwar unbekannt, ihre Darbietungen haben mich aber allesamt voll überzeugt.
-
Abgerundet wird das stimmige Gesamtpaket durch einen tollen Soundtrack, allen voran natürlich durch das Titel gebende Lied von David Bowie.
Hinzu kommt auch noch die gelungene Inszenierung der Serie durch den Fernsehsender „Kabel 1“: So hat es 2007 unmittelbar vor Start der Serie einen tollen Beitrag über den Ford Cortina Mk-III gegeben.
Und auch in negativer Hinsicht hat „Kabel 1“ die Spannung gesteigert: Die Ausstrahlung der Serie ist nach der 1. Staffel abgesetzt worden. Erst nach einer langen Nachdenk-Pause, ob die sie überhaupt weiter gesendet wird, ist an einem schlechteren Sendeplatz dann 2009 auch die 2. und letzte Staffel ausgestrahlt worden.
Gott sei Dank! Leider vertragen sich Masse und Klasse fast nie, aber Klasse hat „Life on Mars“ jeder Menge.
Persönliche Schlussworte
„Life on Mars“ ist für mich eine ganz tolle Serie. Nach der Erstausstrahlung 2007 & 2009 habe ich sie mir 2014 auf ServusTV zum 2. Mal „hinein gezogen“ und genossen.
Leider ist sie aber – zumindest im deutschsprachigen Raum – völlig zu Unrecht eine große Außenseiter-Serie geblieben!
Sie bietet ebenso intelligente, wie spannende Unterhaltung und nimmt es diesbezüglich sogar mit den besten Hollywood-Serien auf.
Leider ist sie seit über 1 Jahr weltweit (!) nicht mehr ausgestrahlt worden – was ich angesichts des vielen, wiederholt gesendeten Schrotts als eine Schande empfinde.
Und leider ist die Nachfolge-Serie „Ashes to Ashes“ auf Deutsch bisher leider nur im Bezahl-Sender FOX, nicht aber im freien Fernsehen gelaufen. Auch das finde ich sehr schade und hoffe, dass sich das 2016 ändert.
Jedenfalls nochmals großen Respekt an dieses tolle Fernseh-Produkt und allen daran Beteiligten alles Gute zum Jubiläum!
Update 06.06.2016
Ich möchte noch nachtragen, dass die Nachfolgeserie "Ashes to Ashes" nun endlich auch ihre deutschsprachige Free-TV-Premiere erlebt: Seit 24. Mai 2016 läuft sie jeweils dienstags ab 22.15h und samstags ab 00.05h auf dem neuen Fernsehsender eoTV.
Finde ich toll und ich sehe sie mir mit großer Freude an!